(Kapitel 4: Gemeindeordnung)
4. Gemeindeordnung : Pastorale Leitung
Christus selbst hat den Dienst der pastoralen Leitung begründet, als er den Apostel Petrus zum Hirten der Kirche ernannte mit der Frage: „Liebst du mich?“ und ihn beauftragte: „Weide meine Schafe.“ Wir bezeugen den so verstandenen Hirtendienst als Geschenk Gottes an die Kirche.
Dieser Dienst muss auf Vertrauen beruhen und dieses Vertrauen muss verdient werden. Niemand kann es als Recht von Amts wegen einfordern. Die pastorale Leitung setzt weder die Berufung zu einem bestimmten Amt noch natürliches Talent oder seminaristische Ausbildung voraus. Vielmehr beruht sie allein auf der Gnade Gottes und dem Wirken des Heiligen Geistes. Nicht einmal der begabteste Mensch hat in der Gemeinschaft etwas zu sagen, wenn er nur in eigener Sache auftritt.
Eine mit Leitung betraute Person muss sich immer auf die Führung durch den Heiligen Geist verlassen. Sie muss zutiefst demütig bleiben und die Gemeinde achten und respektieren. Unter keinen Umständen darf diese Person anderen in der Gemeinschaft etwas aufzwingen. Sie ist nicht mit dieser Aufgabe betraut, um zu kontrollieren oder zu dominieren, sondern um zu dienen. Als Jesus seine Kirche Petrus anvertraute, übergab er ihm keine Rechte über die anderen Jünger. Stattdessen lehrte er: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“
Weil die pastorale Leitung ein Dienst ist, nennen wir unsere Pastoren auch „Diener am Wort“, gemäß dem in der Täufertradition geprägten Begriff. Nach dem Neuen Testament kann diese Aufgabe einem Bruder nur dann übergeben werden, wenn sein persönlicher Lebenswandel und sein Glaubensleben den Anforderungen der Heiligen Schrift entsprechen.
Jeder Bruder, der seine Mitgliedsgelübde abgelegt hat, kann von jedem anderen Mitglied als Pastor vorgeschlagen werden. Mit Zustimmung der Gemeinde kann er ernannt werden. Ist er verheiratet, leistet er den Dienst zusammen mit seiner Frau, die insbesondere die Verantwortung zur Seelsorge gemeinsam mit ihm trägt. Die Ernennung zum Pastor erfolgt zunächst auf Probe. Wenn nach der Probezeit der Dienst eines Bruders einstimmig als von Gott gestiftet anerkannt wird, soll die Ernennung öffentlich durch Handauflegung bei ihm und seiner Frau bestätigt werden. Somit wird die der Kirche gegebene Autorität auf sie übertragen.
In der Regel hat jeder Bruderhof mehrere Pastoren. Sie arbeiten in der Wahrnehmung ihrer pastoralen Aufgaben eng miteinander zusammen, ebenso wie mit den anderen Brüdern und Schwestern, die Verantwortung für die verschiedenen Belange des Gemeinschaftslebens tragen.
Die Aufgabe eines Pastors ist es, sich um das körperliche und das geistliche Wohlergehen aller in der Gemeinschaft zu sorgen und Zeugnis vom Evangelium abzulegen.
Die Seelsorge ist die Hauptaufgabe eines Pastors. Er und seine Frau sind gerufen, Christi Erbarmen jeder Person zuteil werden zu lassen, damit jeder in der Lebensfülle des Evangeliums gedeihen möge. Beide müssen bestrebt sein, sich bei der Sorge um ihre Brüder und Schwestern stets vom Geist leiten zu lassen. So müssen sie jeder Seele mit wertschätzender Achtung begegnen, die sich ihnen zuwendet: ob auf der Suche nach Rat oder mit dem Wunsch, durch die Beichte von Sünde befreit zu werden.
Ein Pastor hat den Auftrag, in Worte zu fassen, was von Gott kommt und die Herzen der Mitglieder bewegt. Er ist bevollmächtigt zu taufen, das Abendmahl auszuteilen, Trauungen vorzunehmen und die Vergebung von Sünden auszusprechen. Ein Pastor muss jederzeit bereit sein, ausgesandt zu werden, um das Evangelium zu verkünden, wo auch immer die Gemeinschaft ihn hinsenden mag.
Letztlich ist dieser Dienst nur eine Intensivierung der Verantwortlichkeiten, die jedem Mitglied auferlegt sind. Es gilt daher auch umgekehrt, dass jedes Mitglied aufgerufen ist, den Hirtendienst in seiner Familie und seinem Lebensbereich zu versehen, Seelsorge auszuüben und das Evangelium zu verkünden.
So wie ein Schiff einen Steuermann braucht, bedarf eine kirchliche Gemeinschaft einer klaren Leitung. Aus diesem Grund beauftragt die Generalversammlung einstimmig einen Bruder, den Hirtendienst für die gesamte Gemeinschaft zu übernehmen. Diesen nennen wir Prior. Zusammen mit seiner Frau versieht er diesen Dienst, so lange es ihm möglich ist. Er ist vollumfänglich mit der Seelsorge, der geistlichen Aufsicht über alle Bruderhöfe, mit der Ordnung und Autorität der kirchlichen Gemeinschaft sowie mit der Verkündigung des Evangeliums betraut.
Wie jeder andere Pastor hat der Prior der Führung des Heiligen Geistes zu folgen, wie sie in der Gemeinschaft offenbar wird. Er darf sich nicht von anderen isolieren oder auf seine eigenen Fähigkeiten vertrauen. Um eine klare Richtung für alle Fragen zu finden, hat er in tiefer Demut mit der Gemeinde eng zusammenzuarbeiten, insbesondere mit denen, die mit den verschiedenen Aufgaben betraut sind.
Um den Prior bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe zu unterstützen, können die Mitglieder Pastoren zu Bischöfen ernennen. Letztere tragen Verantwortung für die Bruderhöfe in einer bestimmten geographischen Region. Die Bischöfe geben nicht nur den Mitgliedern in den Bruderhöfen, denen sie dienen, Rechenschaft, sondern auch dem Prior und der Generalversammlung.
Wenn ein zum Hirtendienst Ernannter sich schwer versündigt oder seine Position missbraucht, oder wenn sein Dienst wirkungslos oder gar schädlich wird, sollte er diesen niederlegen, sonst wird die kirchliche Gemeinschaft ihn aus seinem Dienst entlassen. Unseren Gelübden entsprechend ist jedes Mitglied verpflichtet, einzuschreiten, wenn jemand seine Leitungsfunktion missbraucht.
Tritt die Frage auf, ob der Prior aus seinem Dienst zu entlassen sei, so sollte dieser Schritt wegen seiner schwerwiegenden Bedeutung nur von der Generalversammlung nach mehrtägiger Zusammenkunft in betender Erwägung und aus Gottesfurcht veranlasst werden, eingedenk der Warnung in der Schrift, niemals eine Klage gegen einen Kirchenältesten anzunehmen, außer wenn zwei oder drei Zeugen sie bekräftigen.
In einer von Liebe geeinten Gemeinde wird der Hirtendienst immer auf Christus verweisen. Unter uns kennen wir keinen Rangunterschied. Wir alle sind Brüder und Schwestern, Glieder des einen Leibes im Dienst aneinander. Über diesen Leib ist als einziges Haupt gesetzt: Jesus Christus.