(Kapitel 2: Unsere Berufung)
2. Unsere Berufung : Kirche als Gemeinschaft
Ein Leben für das Reich Gottes führt zu Gemeinde: zu jener Gemeinschaft, deren Wesen Kirche ist. Gott möchte ein Volk auf Erden sammeln, dessen Mitglieder seiner neuen Schöpfung angehören. Er ruft sie heraus, damit sie eine neue Gesellschaft bilden, in der Gerechtigkeit und Friede real werden. Privatbesitz entfällt unter ihnen. Vereint in einem Bund der Solidarität und Gleichheit spricht ein jeder: „Was immer ich besitze, gehört den anderen, und sollte ich jemals in Not geraten, werden sie mir helfen.“ So werden Jesu Worte wahr: „Macht euch also keine Sorgen, und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“
Ein solches Volk entstand beim ersten Pfingstfest in Jerusalem. Wie die Apostelgeschichte in Kapitel 2 und 4 überliefert, senkte sich der Heilige Geist auf die Gläubigen herab, welche sich nach Jesu Auferstehung versammelt hatten. So war die erste Kirche als eine Gemeinschaft geboren. Wie zu jener Zeit geschieht es auch heute: Wann immer der Geist auf eine Menschengruppe ausgegossen wird, werden sie erfüllt von der Liebe zu Christus und zueinander. Aufgrund ihrer Gemeinschaft in der Liebe werden sie ihre Güter, Talente und ihr Leben miteinander teilen und so mutig Zeugnis geben für das Evangelium. Dies ist unsere Berufung in Gemeinschaft.
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der
Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber
Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder
und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden
waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam.
Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je
nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig
beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den
Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen
und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der
Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.
Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch
nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern
es war ihnen alles gemeinsam. Und mit großer Kraft bezeugten die
Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war
bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte;
denn wer von ihnen Äcker oder Häuser besaß, verkaufte sie und
brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu
Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte.
—Apostelgeschichte 2,42–47; 4,32–35
Wir sind eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, unverheiratet und verheiratet, die von Christus gerufen sind, ihm gemeinsam nachzufolgen, indem wir im Geiste der Jerusalemer Urgemeinde zusammen leben. Dieser Berufung wollen wir unser ganzes Leben lang treu bleiben. Dafür entsagen wir freudig allem Privatbesitz, allen persönlichen Ansprüchen, allen weltlichen Bindungen und Ehren. Unsere Berufung ist ein Leben im Dienst an Gott und der Menschheit, indem wir freiwillig unsere gesamte Arbeitskraft und alles, was wir sind und haben, bereit sind zu geben.
Gemeinschaft in Christus ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Jeder Versuch, sie aus eigener Anstrengung zu erzwingen, erzeugt nur eine enttäuschende Karikatur. Ohne Hilfe von oben bleiben wir Menschen selbstsüchtig und zerstritten, unfähig zu einem gemeinsamen Leben. So erweisen sich selbst unsere besten Vorsätze und Bemühungen als unnütz, wie Jesus uns sagt: „Denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ Wir bleiben Sünder, gänzlich der Gnade bedürftig.
Doch wir haben die verwandelnde Liebe Christi erfahren, der das Unmögliche möglich macht: dass ganz gewöhnliche Menschen in Vergebung und gegenseitigem Vertrauen als Brüder und Schwestern, als Kinder des einen Vaters zusammen leben können. Sein Geist ist es, der die Gläubigen ruft: zu einem Leben der Liebe, in dem die Arbeit, der Gottesdienst, die Mission, die Erziehung und das Familienleben in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden. Es ist unsere Überzeugung, dass ein solches Leben der größte Dienst ist, den wir der Menschheit erweisen können und die beste Art und Weise, wie wir Christus verkündigen können.
Christus bewirkt all dies durch sein Opfer am Kreuz. Indem er Leiden und Tod auf sich nahm, sühnte er für unsere Sünden und die Sünden der ganzen Welt. Sein Kreuz ist der einzige Ort, an dem wir Vergebung erhalten und Frieden mit Gott und miteinander finden können. Das Kreuz ist das Mittel unserer persönlichen Erlösung und doch noch viel mehr: es hat kosmische Bedeutung. Hier überwindet Christus alle Mächte des Bösen und der Feindschaft, erfüllt Gottes Gerechtigkeit und versöhnt das gesamte Universum mit sich.
Das Kreuz Christi steht im Zentrum unseres Gemeinschaftslebens. „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Wir wollen den Weg des Kreuzes gehen, so wie er ihn ging – als einen Weg der Demut, Verwundbarkeit und selbstaufopfernden Liebe.
Unsere Gemeinschaft ist nur ein kleiner Teil der universalen Gemeinschaft der Gläubigen. Diese Gemeinschaft – die Kirche – besteht aus allen, die Christus angehören, und bildet seinen Leib. Sie ist seine Braut, für ihn alleine bestimmt. Sie kann mit keiner menschlichen Institution oder Gruppe gleichgesetzt werden. Wie die frühen Christen bezeugen, ist sie ein Werk Gottes und nicht der Menschen.1 Seit Beginn der Schöpfung ist sie eingesetzt und umfasst die Apostel, Propheten, Märtyrer und Gläubigen aller Zeiten, die bei Gott sind als „Wolke der Zeugen“ aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern.
Auf die Frage, ob wir die eine wahre Kirche seien, antworten wir mit „Nein“: Wie alle anderen Menschen sind auch wir nur arme Wesen, die auf Gottes Erbarmen angewiesen sind. Auf die Frage allerdings, ob wir die Kirche als Realität in unserem täglichen Leben erfahren, müssen wir bestätigen, dass wir dies durch die Gnade Gottes so erleben. Jesus verheißt uns, dass, wo immer zwei oder drei in seinem Namen versammelt, ihm also in ganzer Liebe und ganzem Gehorsam zugetan sind, er in ihrer Mitte gegenwärtig ist. Dann ist solch eine Gemeinschaft mit der einen heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche vereint.
Christus ist das Haupt dieser Kirche. So wie ein Weinstock viele Reben ernährt, verbindet er die verschiedenen Scharen seiner Nachfolger hier auf Erden und stattet sie aus mit seiner Vollmacht, mit der Einheit in ihm und mit seinem Auftrag.